Suizid-darf kein Tabuthema mehr sein

Ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt und über das ich sprechen möchte, ist Suizid. In meinem ersten Beitrag habe ich über den Verlust meines jüngsten Sohnes durch Suizid im Oktober 2021 und die tiefgreifenden Auswirkungen auf mein Leben berichtet. Dieser Verlust hat mein Leben grundlegend verändert und mich gezwungen, mich intensiv mit meinen eigenen Depressionen, der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie Angst- und Panikattacken auseinanderzusetzen. Doch es ist nicht nur mein persönliches Schicksal, sondern auch die vielen anderen Geschichten von Hinterbliebenen, die zeigen, wie wichtig es ist, über Suizid offen zu sprechen.

 

 

Suizid ist nach wie vor ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft. Viele Menschen scheuen sich, darüber zu sprechen, sei es aus Angst, Unverständnis oder dem Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden. Doch gerade diese Stille ist gefährlich. Suizid darf kein Tabuthema mehr sein. Es ist eine traurige Realität, dass viele Menschen täglich mit ihren inneren Dämonen kämpfen und keinen anderen Ausweg mehr sehen. Wir müssen verstehen, dass Suizid oft das Ergebnis eines langen Leidensweges ist, bei dem sich die Betroffenen in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden.

Das Leiden der Hinterbliebenen:

Die Hinterbliebenen von Suizidopfern – Eltern, Kinder, Geschwister, Freunde – tragen eine unerträgliche Last. Der Schmerz, einen geliebten Menschen durch Suizid zu verlieren, ist unbeschreiblich. Es sind nicht nur die Trauer und der Verlust, die uns belasten, sondern auch die quälenden Fragen: Hätten wir es verhindern können? Haben wir die Anzeichen übersehen? Warum hat uns der geliebte Mensch nicht um Hilfe gebeten? Diese Gedanken verfolgen uns Tag und Nacht. Viele Hinterbliebene leiden unter Schuldgefühlen, Scham und sozialer Isolation, weil das Thema Suizid oft vermieden wird. Doch wir, die wir diesen Schmerz kennen, wissen, dass es keine einfachen Antworten gibt.

Auswirkungen auf das Leben der Hinterbliebenen:

Das Leben der Hinterbliebenen verändert sich oft drastisch. Viele von uns entwickeln Depressionen, Angststörungen oder PTBS. Auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Erschöpfung oder chronische Schmerzen sind häufig. Die Trauer um einen geliebten Menschen durch Suizid ist nicht nur eine emotionale, sondern auch eine körperliche Belastung. Für uns ist es oft schwer, in den Alltag zurückzufinden. Freunde und Bekannte ziehen sich oft zurück, weil sie nicht wissen, wie sie mit uns umgehen sollen, und das verstärkt das Gefühl der Isolation.

Warum es wichtig ist, über Suizid zu sprechen:

Wir müssen als Gesellschaft offener über Suizid und seine Ursachen sprechen. Denn nur durch Aufklärung können wir verhindern, dass noch mehr Menschen diesen tragischen Weg gehen. Suizid ist oft das Ergebnis von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder anderen belastenden Lebenssituationen, die unbehandelt bleiben. Viele Betroffene fühlen sich missverstanden oder haben das Gefühl, keine Unterstützung zu finden. Hier ist es wichtig, dass wir als Gesellschaft sensibler für diese Themen werden und Betroffenen frühzeitig helfen. Mit Empathie und Verständnis können wir möglicherweise Leben retten.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass auch die Ursachen von Suizid nicht außer Acht gelassen werden. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Traumata oder soziale Isolation spielen oft eine große Rolle. Doch auch Faktoren wie Mobbing, finanzielle Sorgen oder die Angst, nicht mehr in die Gesellschaft zu passen, können Menschen in die Verzweiflung treiben. Wir müssen uns aktiv dafür einsetzen, dass psychische Erkrankungen nicht mehr stigmatisiert werden und dass Menschen, die Hilfe benötigen, diese auch bekommen.

Fazit:

Suizid betrifft uns alle – direkt oder indirekt. Indem wir das Schweigen brechen und offen darüber sprechen, können wir mehr Verständnis und Empathie schaffen. Es ist unsere Aufgabe, das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen und den Betroffenen Unterstützung zu bieten. Jeder, der leidet, sollte wissen, dass es Hilfe gibt und dass es immer eine Alternative gibt. Lasst uns zusammenstehen und das Thema Suizid aus dem Tabu herausholen – für mehr Verständnis, mehr Aufklärung und vor allem für mehr Menschlichkeit.

Fakten und Zahlen zum Thema Suizid:

Weltweit sterben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr etwa 700.000 Menschen durch Suizid. Das bedeutet, dass alle 40 Sekunden irgendwo auf der Welt ein Mensch sein Leben durch Suizid beendet. Das entspricht etwa 25 Suiziden pro Tag – mehr als doppelt so viele Menschen sterben durch Suizid als durch Verkehrsunfälle. Es wird geschätzt, dass auf jeden vollendeten Suizid etwa 20 Suizidversuche kommen, was zeigt, wie groß das Ausmaß dieses Problems wirklich ist. In Deutschland sind es jedes Jahr etwa 9.000 Menschen. Diese Zahlen sind erschütternd und zeigen, dass Suizid ein großes gesellschaftliches Problem darstellt. Hinter diesen Zahlen stehen Menschen, Familien und Freunde, die in ihrem Schmerz allein gelassen werden.

Besonders besorgniserregend ist, dass Suizid eine der häufigsten Todesursachen bei jungen Menschen ist. Bei Menschen unter 25 Jahren zählt Suizid zu den drei häufigsten Todesursachen, während Männer etwa dreimal häufiger Suizid begehen als Frauen.

Es gibt Statistiken über die Suizidraten von Jugendlichen, die leider ein alarmierendes Bild zeichnen. Die Suizidrate unter Jugendlichen ist weltweit ein wachsendes Problem, und insbesondere in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen gehört Suizid in vielen Ländern zu den häufigsten Todesursachen.

In Deutschland beispielsweise ist Suizid bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen. Jüngere Menschen unter 15 Jahren sind ebenfalls betroffen, wenn auch in geringerer Zahl, aber die Suizidrate steigt in der Regel mit dem Eintritt in die Pubertät. Laut einer Studie der Deutschen Stiftung für Suizidprävention von 2020 gab es bei den 15- bis 24-Jährigen in Deutschland durchschnittlich etwa 400 Suizidfälle pro Jahr. Besonders beunruhigend ist, dass die Dunkelziffer von Suizidversuchen weitaus höher ist, da nicht jeder Versuch in die offiziellen Statistiken einfließt.

Globale Statistiken zeigen ähnliche Trends:

  • Weltweit liegt die Suizidrate bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 29 Jahren laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ebenfalls unter den häufigsten Todesursachen.
  • In vielen Ländern begehen mehr männliche Jugendliche Suizid als weibliche, was auch auf gesellschaftliche und kulturelle Faktoren sowie auf die Art und Weise der Hilfeleistung zurückgeführt werden kann.
  • Dennoch zeigen Statistiken, dass weibliche Jugendliche öfter Suizidversuche unternehmen als männliche.

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Mögliche Ursachen für Suizid bei Jugendlichen:

  • Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen spielen oft eine zentrale Rolle.
  • Stress, Mobbing (insbesondere Cybermobbing), sozialer Druck, familiäre Probleme oder traumatische Erlebnisse sind ebenfalls häufige Auslöser.
  • Jugendliche befinden sich in einer Phase intensiver emotionaler und sozialer Entwicklung, was sie besonders verletzlich für psychische Krisen macht.

Es ist wichtig, auf die Warnzeichen zu achten und offen über das Thema Suizid zu sprechen, um Jugendliche, die gefährdet sind, frühzeitig zu erreichen und ihnen die nötige Hilfe zu bieten.

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Suizidprävention: Was kann getan werden?

Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, um Suizide zu verhindern. Dazu gehören psychologische und psychiatrische Behandlung, der Zugang zu Kriseninterventionen sowie präventive Maßnahmen in der Gesellschaft. Zu den wichtigsten Aspekten der Suizidprävention gehören:

  1. Offene Kommunikation: Suizid muss enttabuisiert werden. Menschen müssen ermutigt werden, offen über ihre psychischen Probleme und suizidalen Gedanken zu sprechen, ohne Angst vor Verurteilung oder Stigmatisierung haben zu müssen.
  2. Zugang zu Hilfe: Der Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung muss verbessert werden. Frühe Interventionen und langfristige Unterstützung sind entscheidend, um Menschen in Krisensituationen zu helfen.
  3. Aufklärung und Sensibilisierung: Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätze und die Gesellschaft insgesamt müssen über Suizid, dessen Ursachen und Präventionsmöglichkeiten besser informiert werden. Dadurch kann das Verständnis für Betroffene verbessert werden, und es kann frühzeitige Unterstützung angeboten werden.
  4. Unterstützung für Hinterbliebene: Familienangehörige und Freunde, die durch den Suizid eines geliebten Menschen traumatisiert wurden, benötigen besondere Unterstützung. Es ist wichtig, dass sie sich nicht allein fühlen und professionelle Hilfe bekommen, um mit ihrer Trauer und ihren Schuldgefühlen umzugehen.

Was können wir als Gesellschaft tun?

Um Suizid effektiv zu bekämpfen, ist es notwendig, das Thema aus der Dunkelheit zu holen. Es muss klar sein, dass psychische Gesundheit genauso wichtig ist wie körperliche Gesundheit, und dass es keine Schande ist, Hilfe zu suchen. In einer Gesellschaft, in der es normal ist, über Depressionen, Ängste und Suizidgedanken zu sprechen, können wir Menschen, die leiden, rechtzeitig erreichen und sie davor bewahren, diesen endgültigen Schritt zu gehen.

Wir müssen erkennen, dass Suizid kein Zeichen von Schwäche ist und dass niemand allein mit seinen Problemen sein sollte. Durch Enttabuisierung, Aufklärung und eine mitfühlende Haltung können wir einen Beitrag dazu leisten, das Leben von Betroffenen zu retten.

 

Es ist wichtig, dass wir weiterhin über dieses Thema sprechen und Unterstützung anbieten, um das Leben von Menschen zu retten. Wenn du oder jemand, den du kennst, Hilfe benötigt, gibt es verschiedene Anlaufstellen, wie die Telefonseelsorge, die anonym und kostenlos rund um die Uhr erreichbar ist (0800/111 0 111 und 0800/111 0 222).