Zwischen Körper und Geist: Der Umgang mit psychosomatischen Schmerzen und Therapie

Ein Jahr nach dem Tod meines Sohnes verstarb auch mein Vater. Dieser erneute Verlust traf mich tief, doch zunächst war ich gezwungen, mich um all die Aufgaben zu kümmern, die mit dem Tod eines Angehörigen einhergehen – Beerdigungsorganisation, Formalitäten und all die bürokratischen Notwendigkeiten, die keinen Raum für den eigenen Schmerz lassen. Ich funktionierte einfach. Aber als diese Aufgaben erledigt waren, kam der Zusammenbruch.

Den Verlust meines Sohnes hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht verarbeitet. Ich hatte mir keine Zeit für die Trauerbewältigung genommen, auch wenn ich immer wieder kurz davor war, mich mit dem Schmerz auseinanderzusetzen, zog ich mich zurück. Der Schmerz war zu groß, zu tief. Erschwerend kam hinzu, dass mein Körper sich gegen den Stress zu wehren begann. Ich litt unter Herzrhythmusstörungen und wandte mich an meinen Hausarzt. Er war es, der den Ernst meiner Lage erkannte und mich sofort zu einer Psychiaterin überwies.

Nach mehreren Gesprächen und umfassenden Untersuchungen bekam ich schließlich die Diagnose: mittelgradige bis schwere Depression, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), sowie Angst- und Panikattacken. Es war ein Schock, all diese Begriffe schwarz auf weiß zu lesen. Ich hatte gehofft, dass es eine einfache Lösung geben würde, aber die Realität war komplexer. Als ob das nicht genug wäre, machte mir auch meine Fibromyalgie mit immer stärker werdenden Schmerzen zu schaffen.

Ich hatte lange eine skeptische Haltung gegenüber Antidepressiva, doch meine Psychiaterin nahm sich die Zeit, mir ganz genau zu erklären, wie Sertralin wirkt und warum es mir helfen könnte, wieder stabiler zu werden. Trotz meiner anfänglichen Bedenken stimmte ich schließlich der medikamentösen Behandlung zu, denn ich wusste, dass ich diese Unterstützung brauchte.

Zusätzlich empfahl mir meine Psychiaterin einen stationären Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik. Ich bekam überraschend schnell einen Termin in der Psychosomatischen Fachklinik Rottal-Inn in Simbach am Inn. ( Psychosomatische Fachklinik - rottalinnkliniken.de ) Aber was bedeutet eigentlich „Psychosomatik“? Das Wort setzt sich aus zwei Teilen zusammen: „Psyche“ steht für die Seele und „Soma“ für den Körper. Eine psychosomatische Klinik betrachtet also den Menschen in seiner Gesamtheit – als eine Einheit aus Körper, Geist und Seele.

In dieser Klinik wird mit einem ganzheitlichen Therapieansatz gearbeitet, der individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt ist. Dazu gehören Einzel- und Gruppentherapien, Verhaltenstherapie, Ergotherapie, Sport und auch Kunsttherapie. Letztere war für mich von besonderer Bedeutung, da ich in den Gesprächstherapien oft nicht über den Verlust meines Sohnes sprechen konnte. Die Kunsttherapie gab mir jedoch die Möglichkeit, meine Gefühle auszudrücken, ohne sie in Worte fassen zu müssen. In meiner Freizeit begann ich, mich intensiv mit Zeichnen und Acrylmalerei zu beschäftigen. Mit Ton arbeiten und das Gestalten von Sandsteinfiguren halfen mir, meine Emotionen auf eine andere Weise zu verarbeiten.

Meine Zeit in der Klinik war oft alles andere als einfach. Es gab viele Momente, in denen ich mich fragte, warum ich überhaupt hier bin. Zweifel nagten an mir und ich zog mich immer mehr in mich zurück. Trotz der vielfältigen Therapieangebote und der Unterstützung durch das Klinikpersonal fühlte ich mich oft verloren, gefangen in meinem eigenen Schmerz und den intensiven Gefühlen, die ich nicht einordnen konnte.

Gespräche mit anderen Patienten halfen mir in solchen Momenten oft weiter. Es war tröstlich, zu wissen, dass ich nicht allein war, dass auch andere mit ähnlichen Herausforderungen kämpften. Diese geteilten Erfahrungen gaben mir Kraft und halfen mir, mich nicht völlig zurückzuziehen. Dennoch konnte ich den tiefen inneren Konflikt nicht überwinden.

Ich nahm die Hilfe, die mir in den Therapien angeboten wurde, durchaus an und war bereit, an mir zu arbeiten. Aber etwas in mir ließ mich immer wieder straucheln. Ich kam mit mir selbst nicht zurecht. Meine Gedanken waren ein ständiger Kampf und je mehr ich versuchte, sie zu kontrollieren, desto stärker wurde der Drang, mich selbst zu verletzen. Es fühlte sich an wie ein Teufelskreis, aus dem ich keinen Ausweg fand. 

In den dunklen Momenten war es schwer, Hoffnung zu bewahren, doch ich wusste, dass ich diesen Kampf nicht aufgeben durfte.

Nach einem sechs Wochen dauernden Aufenthalt verließ ich die Klinik mit neuer Hoffnung, doch diese war nur von kurzer Dauer. Mein Zustand verschlechterte sich bald wieder. Die Angst- und Panikattacken wurden immer heftiger, die depressive Störung nahm zu, bis hin zur Selbstverletzungen. Es fühlte sich an, als würde ich einen endlosen Kampf führen und ich wusste, dass noch ein langer Weg vor mir lag.