Mein Alltag nach dem Klinikaufenthalt in Simbach war geprägt von Hoffnungen, die sich nicht erfüllten und der bitteren Erkenntnis, dass mein Zustand sich nicht besserte, sondern sogar verschlechterte.

Ich hatte erwartet, dass die in der Klinik durchgeführten Therapien nachhaltige Wirkung zeigen würden, doch nach und nach bemerktest ich, dass sich alles ins Gegenteil kehrte. Es fiel mir schwer, aus dem Bett zu kommen. Die nächtlichen Angst- und Panikattacken fesselten mich mit einer unerbittlichen Kraft und wurden immer schlimmer, immer intensiver. Es ist eine Qual, die nur wenige nachvollziehen können – gefangen zu sein in einer Spirale der Angst, aus der es scheinbar kein Entkommen gibt. Mein ganzer Körper verkrampfte und die Schmerzen wurden unerträglich. Tagsüber übermannte mich die Müdigkeit, während der Kreislauf der Angst sich unaufhaltsam fortsetzte. Ich war nicht in der Lage, diesen Teufelskreis allein zu durchbrechen.
Die Situation spitzte sich so weit zu, dass ich schließlich das Haus nicht mehr verlassen konnte. Selbst die einfachsten Aufgaben im Haushalt schienen mir unmöglich. Ich war völlig teilnahmslos, ohne jede Emotion. In dieser Gefühllosigkeit, die mich wie eine dicke, undurchdringliche Decke umhüllte, fand ich mich bald mit dem unaufhörlichen Drang konfrontiert, mich selbst zu verletzen. Ich hatte keine Kraft mehr, diesen Drang zu unterdrücken und so gab es Momente, in denen ich dem nicht mehr widerstehen konnte. Mein Erfahrungsbericht von Suizidgedanken und Selbstverletzung, möchte ich in einem anderen Blogbeitrag über dieses dunkle Kapitel meines Lebens erzählen.
In dieser Zeit hattest ich einen Termin mit meiner Psychiaterin, um ihr von meinem Zustand nach dem Klinikaufenthalt zu berichten. Ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Auch für meinen Mann war dieser Zustand schwer zu ertragen. Mich so leiden zu sehen, ohne helfen zu können, brachte ihn an seine Grenzen und doch war er immer an meiner Seite. Seine unermüdliche Unterstützung gab mir Halt, als ich den Wunsch äußerte, erneut in eine Klinik zu gehen. Mir war klar: Es war der einzige Weg, um der Dunkelheit zu entkommen – meiner Hölle, bevor es noch schlimmer werden wird. Ich musste mich vor mir selber schützen.
Meine Psychiaterin stellte mir eine Überweisung für die Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Mainkofen Bezirksklinikum Mainkofen: Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie aus und etwa drei Wochen später brachte mich mein Mann dorthin. In der Hoffnung, dass man mir hier helfen könnte, begann mein Aufenthalt. Nach den Aufnahmeuntersuchungen verbrachte ich zwei Tage auf der Aufnahmestation B6, bevor ich auf die Station B11 verlegt wurde. Auf dieser Station lebten die Patient:innen in einer Art Wohngemeinschaft zusammen. Jede Woche wurden uns bestimmte Aufgaben zugeteilt – Tischdecken, Abräumen, die Küche sauber halten oder den Garten pflegen. Das Zusammenleben mit Anderen in dieser Umgebung war ungewohnt, aber auch therapeutisch sehr wichtig.
Das Konzept der Klinik in Mainkofen unterschied sich stark von dem in Simbach. Neben den verschiedenen Gruppentherapien gab es Kunst-, Sport- und Musiktherapien. Achtsamkeit und Entspannungstechniken spielten eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse. Die verhaltens- und Trauma therapeutisch orientierte Psychotherapie war der zentrale Baustein des Behandlungskonzepts. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal fühlte ich mich gut unterstützt. In den ersten Wochen habe ich mich oft zurückgezogen, viel Zeit allein verbracht und mich in meine Zeichnungen vertieft. Nach drei bis vier Wochen, begann sich mein Zustand langsam zu verbessern. Besonders die Gruppentherapien zeigten erste positive Wirkungen und ich begann mich mehr zu öffnen.
Die Panikattacken und Depressionen waren jedoch weiterhin ein ständiger Begleiter. Jeder Tag war eine Herausforderung, besonders das Spazierengehen auf dem Klinikgelände. Ein Teil des Geländes gehörte zur forensischen Psychiatrie, was immer wieder alte Ängste und Erinnerungen in mir auslöste. Doch je öfter ich diesen Abschnitt passierte, desto leichter fiel es mir und ich spürte, dass ich an Stärke gewann.
Mein Mann besuchte mich jedes Wochenende und nach etwa vier bis fünf Wochen durfte ich zum ersten Mal für eine Nacht nach Hause fahren. Dieser kleine Ausflug war ein Wendepunkt. Ich spürte, dass ich mich veränderte. Ich wurde offener, verbrachte mehr Zeit mit den anderen Patient:innen und nahm aktiver am Leben in der Klinik teil. Die schlechten Tage wechselten sich mit den Guten ab, ich bemerkte auch, dass die Therapien und Gespräche mit dem Klinikpersonal ihre Wirkung nicht verfehlten.
Ein besonders schöner Teil meiner Therapie in Mainkofen waren die Nachmittage mit den Alpakas. Diese sanften Tiere strahlten eine unglaubliche Ruhe aus und die wöchentlichen Spaziergänge zum See mit ihnen wurden für mich zu einem Highlight. In diesen Momenten konnte ich durchatmen, abschalten und die Nähe der Tiere genießen. Es war eine Zeit, in der ich mich wieder etwas mehr mit der Natur und dem Leben verbunden fühlte.
Diese Erlebnisse ließen in mir den Wunsch wachsen, irgendwann eine Hundetherapie auszuprobieren. Leider wurde dies auf meiner Station nicht mehr angeboten, doch der Gedanke ließ mich nicht los. Ich spürte, dass ein Hund mir helfen könnte, diese positiven Erfahrungen auch in meinen Alltag nach der Klinik zu übertragen. Der Wunsch, eines Tages einen Hund als therapeutischen Begleiter für mich zu Hause zu haben, nahm Gestalt an und wurde zu einem neuen Ziel, das ich verfolgte.
Nach acht Wochen hatte ich das Gefühl, auf einem guten Weg zu sein, entschied mich jedoch, meinen Aufenthalt um zwei weitere Wochen zu verlängern. Ich wollte sicherstellen, dass ich stabil genug bin, wenn ich wieder nach Hause zurückkehre. Nach insgesamt zehn Wochen war der Tag gekommen, an dem ich die Klinik verlassen konnte. Ich war stolz auf mich, diesen Weg gegangen zu sein – durch die Dunkelheit und ein Stück näher zum Licht. Ich habe gelernt, dass der Weg aus der Dunkelheit oft lang und schwer ist, aber ich habe ihn beschritten.
Mein größter Dank gilt meinem Mann, der mir in dieser schwierigen Zeit mit seiner Liebe und Unterstützung zur Seite stand. Auch dem Personal, den Ärzten und Therapeuten der B11, gilt mein Dank. Sie haben mich in meinen vielen schwierigen Momenten begleitet und aufgefangen. Doch der größte Dank gebührt mir selbst. Nur durch meinen eigenen Willen, erneut in die Klinik zu gehen, konnte ich ein Stück meines Lebens zurückgewinnen.
